Unter dem Titel «Versicherer 2021: Diese Technologien und Digitaltrends werden den Markt beeinflussen» schreibt das «Versicherungsmagazin»: «Dort, wo sich smarte Technologien adaptieren liessen, fehlte es in der Vergangenheit wahlweise zu oft an der Wirtschaftlichkeit, der zündenden Geschäftsidee oder der Kundenakzeptanz. Der Blick auf die Versicherungsbranche ist daher von gedämpfter Euphorie auf 2021 geprägt, wenn es um den nennenswerten Durchbruch von Technologien geht. Dennoch sind hier und dort Entwicklungssprünge zu erwarten. Einige Technologien werden Versicherer stärker und mit mehr Methode einsetzen. Andere Technologien werden die Branche und ihr Geschäft zumindest beeinflussen und die eine oder andere Neuheit bewirken.» Welche Technologien sind das?
Mehr «Dunkelverarbeitung» bei Anträgen, Schäden und Underwriting
In der Versicherungswirtschaft wird die Automatisierung von Geschäftsprozessen «Dunkelverarbeitung» genannt. Dank des vermehrten Einsatzes von Robotic Process Automation (RPA), Künstlicher Intelligenz (KI) und Cloud Computing wird die «Dunkelverarbeitung» von Anträgen, Schäden oder auch des Underwriting 2021 erhebliche Fortschritte machen. Auch getrieben von der Coronakrise werden die Versicherer Ende 2021 auf jeden Fall digitalisierter dastehen als jetzt. Es können immer mehr Daten in Echtzeit ausgewertet werden. Das erhöht, Facebook lässt grüssen, die zielgruppengerechte Marketingkraft. Aber: Echte technologiegetriebene Marktneuheiten in Form revolutionärer Policen oder Geschäftsmodelle werden wohl auch 2021 eine Seltenheit sein.
Verstärkter Einsatz von natürlichsprachlicher Textgenerierung
Versicherer müssen etlichen Behörden viele Berichte abliefern, beispielsweise über die Solvabilität, die Finanzlage oder Geldwäschereiverdachte. Die Daten für diese Berichte liegen unstrukturiert in den informationstechnologischen Systemen. Mittels des Einsatzes von natürlichsprachlicher Textgenerierung (Natural Language Generation), einer besonderen Form der Künstlichen Intelligenz, werden diese Pflichtberichte mehr und mehr automatisiert erstellt.
Versicherer werden noch vermehrt Chatbots nutzen
Getrieben von der Coronakrise werden 2021 noch mehr Versicherer für die schriftliche Kommunikation mit den Kunden und zur Entlastung der Callcenter Chatbots einsetzen. Das sind automatisierte intelligente textbasierte Dialogsysteme, mit denen die Kunden in natürlicher Sprache mit dem System kommunizieren können.
Internet der Dinge erzeugt neue Risiken, die versichert werden müssen
Dank dem Internet der Dinge (Internet of Things) entstehen beispielsweise in der Industrie innovative Geschäftsmodelle wie die Vermietung von Maschinenkapazitäten und dem entsprechenden «Pay-per-Use». Das erzeugt neue Risiken und zwingt die Versicherer, nutzungsabhängige Policen zu kreieren.
Elektromobilität erfordert Überarbeitung der entsprechenden Autoversicherungstarife
Die Zahl der Elektroautos steigt. Die Autoversicherungstarife müssen für die Elektroautos überarbeitet werden. Denn es ist bei Elektroautos komplizierter abzuklären, wie Bauteile zusammenwirken und welcher Hersteller oder Lieferant für einen Defekt oder eine Fehlsteuerung haften muss. Zudem führen schadhafte Batterien häufig zum Totalschaden.
Zufriedenheit mit den Schweizer Versicherungen
72 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer sind zufrieden mit ihren Versicherungen und 57 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer empfehlen Versicherungen an Freunde und Bekannte weiter.
Zeitverbrauch bei der Informationssuche für Versicherungsangebote
Die Schweizerinnen und Schweizer verbringen im Durchschnitt etwas mehr als drei Stunden damit, sich über ein Versicherungsangebot zu informieren. Die Hälfte der Schweizer Bevölkerung verwendet für die Informationssuche den Webauftritt von Versicherungen. Zudem informieren sich 42 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer über private Kontakte, beispielsweise bei Freunden oder Bekannten, sowie bei Onlinevergleichsportalen über die Einzelheiten der Versicherungsangebote.
Die massgebenden Entscheidungskriterien bei der Wahl von Versicherungen
Die Höhe der Versicherungsprämie ist für Schweizerinnen und Schweizer das wichtigste Entscheidungskriterium bei der Wahl von Versicherungen. Allgemein deuten die Studienergebnisse darauf hin, dass einige für Schweizerinnen und Schweizer wichtige Entscheidungskriterien von den Versicherungen nicht ausreichend berücksichtigt werden. Hierzu gehört namentlich die Kündigungsfrist von Versicherungsverträgen, die häufig als zu lang empfunden wird.
Die bisherige Häufigkeit von Onlineversicherungsabschlüssen
In den letzten fünf Jahren wurden erst 24 Prozent der Versicherungsabschlüsse online abgeschlossen. Die Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer hat bislang überhaupt noch nie einen Versicherungsvertrag online unter Dach und Fach gebracht.
Bereitschaft zur Onlinekommunikation in Versicherungsangelegenheiten
36 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer können sich vorstellen, künftig rund um Versicherungsangelegenheiten mit den Versicherungsanbietern ausschliesslich online zu kommunizieren. Derzeit zählen die Onlineversicherungsportale sowie die Smartphonemessenger wie beispielsweise WhatsApp zu den beliebtesten Onlinekommunikationswegen.
Die Bereitschaft, mit Versicherungen Daten zu teilen
23 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer sind freiwillig bereit, mit den Versicherungen persönliche Daten zu teilen. Dabei können sich die Befragten eher vorstellen, persönliche Daten mit Krankenversicherungen zu teilen und weniger mit Lebensversicherungen und Sachversicherungen.
Der vollständige «Swiss Insurance Monitor 2021» kann auf der Webseite der Universität Luzern unter Swiss Consumer Studies gegen Entgelt bestellt werden. Die «Selected ‘Insights’ des ‘Swiss Insurance Monitor 2021’» sind frei verfügbar.
Die Versicherten erwarten eine umfassende Digitalisierung der Versicherungswirtschaft. Zwei Drittel der Versicherten gehen davon aus, dass bis 2030 eine Onlineplattform für Versicherungen entsteht, die grosse Marktanteile auf sich vereint. Jeder Zweite glaubt, dass globale Digitalunternehmen wie Apple, Google oder Facebook in zehn Jahren eine bedeutende Rolle auf dem Versicherungsmarkt spielen werden. Ebenso viele befürchten, dass einheimische Versicherer im Wettbewerb mit ausländischen Konkurrenten an Boden verlieren werden und dass zahlreiche traditionelle Versicherungen sogar ganz verschwinden. Das ist das Ergebnis einer Umfrage im Auftrag des deutschen Digitalverbands Bitkom.
Bitkom-Präsidenten Achim Berg warnt die Akteure in der Versicherungsbranche
Aufgrund der Umfrageergebnisse warnt Bitkom-Präsident Achim Berg die Akteure in der Versicherungsbrache: «Versicherer und ihre Vertriebspartner tun gut daran, sich die Entwicklungen in anderen Bereichen anzusehen, wo sich durch die Digitalisierung Marktanteile stark verschoben haben. Entscheidend ist, sich auf seiner derzeitigen Position nicht auszuruhen, sondern Geschäftsprozesse und Geschäftsmodelle konsequent digital durchzudenken.»
Schon jeder Elfte vertraut innovativen Startups
Schon heute sagen fast drei von zehn Personen, dass sie sich vorstellen können, eine Versicherung bei einem grossen internationalen Digitalunternehmen abzuschließen. Unter den 18- bis 29-Jährigen ist der Anteil mit 42 Prozent sogar noch höher. Und jeder Elfte denkt daran, seine Versicherung bei einem Startup abzuschliessen, wenn es besonders innovativ ist. Auch hier ist der Anteil bei den 18- bis 29-Jährigen mit 18 Prozent besonders hoch.
«Umfangreiche Leistungen», «niedrige Prämien», «individuell anpassbare Produkte»
Fragt man, was derzeit die wichtigsten Kriterien bei der Auswahl einer Versicherung sind, stehen die Antworten «umfangreiche Leistungen» (99 Prozent), «niedrige Prämien» (98 Prozent) und «individuell anpassbare Produkte» (98 Prozent) ganz oben. Direkt dahinter rangieren «eine breite Auswahl an Tarifen» (96 Prozent), «einfache Angebote» (96 Prozent) und «kurze und flexible Vertragslaufzeiten» (94 Prozent).
Versicherungs-App ist gleich wichtig wie eine traditionsreiche Marke
Für acht von zehn Versicherten spielen gute Bewertungen in Tests eine wichtige Rolle. Die Bedeutung einer bekannten Marke nimmt hingegen ab: Zwar ist für 70 Prozent der Befragten eine bekannte Marke nach wie vor wichtig. Die Möglichkeit, Anfragen komplett digital abzuwickeln und digitale Angebote wie eine Versicherungs-App haben aber bereits einen gleich hohen Stellenwert. Kommt dazu: Eine hohe Digitalkompetenz der Versicherung wird in der Befragung höher bewertet als eine ausführliche persönliche Beratung, Hausbesuche vom Beratenden oder attraktive Kundenbindungsprogramme. Und Versicherungsniederlassungen vor Ort haben immer weniger Bedeutung: Nur noch für zwei Fünftel der Versicherten sind sie wichtig.
Was ist Aon weltweit und in der Schweiz?
Paul Berchtold: Aon ist der führende globale Dienstleister für Risikomanagement sowie Versicherungs- und Rückversicherungsmakler und Berater für Human Resources. Weltweit arbeiten für Aon mehr als 50’000 Mitarbeitende in über 120 Ländern. Aon Schweiz AG erbringt umfassende Expertendienstleistungen und Beratung in den Bereichen Risikomanagement, Broking, Rückversicherungsbrokerage, berufliche Vorsorge und Investment. Rund 350 Mitarbeiter sind in den Büros in Basel, Freiburg, Lugano, Neuenburg, Nyon, Zug, Rapperswil und Zürich für das Unternehmen tätig. Die Zentrale der Schweiz ist in Zürich.
Wie beurteilen Sie die BrokerInitiative der Interessengemeinschaft IG B2B for Insurers + Brokers, welche die Kernprozesse im Schweizer Versicherungsmarkt bis 2020 flächendeckend digitalisieren und vereinheitlichen will?
Paul Berchtold: Die Brokerinitiative ist ein wichtiger Schritt für die Automatisierung des Versicherungsgeschäfts und bildet die Grundlage für einen strukturierten Datenaustausch. Bei der Brokerinitiative handelt es sich um ein «Alignement und Commitment» zwischen Brokern, Versicherern und Brokersoftwarehersteller mit dem Ziel, strukturierte Daten effizient verarbeiten zu können. Für uns ist dies allerdings lediglich eine erste Etappe, bei welcher versucht wird, den digitalen Wandel in der Brokerlandschaft zu beschleunigen und die Grundlagen dafür zu schaffen. In die gleiche Richtung stösst auch die am «InnovationBoard2019» angekündigte neue strategische Ausrichtung der Interessengemeinschaft IG B2B for Insurers + Brokers: Vermehrt allgemein zugängliche Services von Entwicklern fördern und zertifizieren, welche die Standards für alle Kernprozesse im Brokermarkt unterstützen. Damit soll die Umsetzung dieser Standards vereinfacht und beschleunigt werden.
Gibt es auch Schattenseiten?
Paul Berchtold: Was wir etwas vermissen, ist eine genügende Geschwindigkeit bei der Umsetzung der Standards seitens der Softwarehersteller. Hier würden wir uns mehr «Speed» wünschen.
Was unternimmt Aon im Rahmen der digitalen Herausforderungen?
Paul Berchtold: Wir befassen uns stark mit dem Thema Digitalisierung. Bevor wir uns jedoch der Digitalisierung zuwenden können, muss ein möglichst hoher Automatisierungsgrad erreicht werden. Dies hat für uns derzeit Priorität. Wir sind überzeugt, dass ein möglichst hoher Automatisierungsgrad, kombiniert mit neuen Technologien wie beispielswiese «AIl Solutions» oder «Deep Learning», interessante und gewinnversprechende zukünftige Geschäftsfelder zu entwickeln vermag. Die aktuellen «Business-to-Business (B2B)»-Austauschmöglichkeiten in der Schweiz sind indessen noch sehr beschränkt. Bei den derzeit bestehenden Lösungen kann man noch kaum von digitalisierten Lösungen sprechen. Eine der Hürden, die es zu meisten gilt, ist die Entwicklung eines einheitlichen Versicherungsstandards, wie die jeweiligen Daten zu liefern sind. Derzeit sind die Transaktionskosten zwischen dem Versicherer und dem Broker zu hoch, da weiterhin zu viele Doppelspurigkeiten bestehen und kein einheitlicher digitaler Datenaustausch schweizweit etabliert ist. Mit der neuen Strategie der Interessengemeinschaft IG B2B for Insurers + Brokers mit freiem Zugang von Entwicklern erhoffen wir uns, die notwendige Beschleunigung der Implementierung von Lösungen zu erreichen.
Was genau erwarten Sie von den Versicherungsbrokersoftwareherstellern zur bestmöglichen Unterstützung der Digitalisierung des Brokergeschäfts?
Paul Berchtold: Im Vordergrund steht ganz klar die Erwartung, dass mit den notwendigen Entwicklungen schneller vorangeschritten wird. Verglichen mit Softwareunternehmen mit denen Aon im Ausland zusammenarbeitet, ist die Geschwindigkeit der Implementation der erforderlichen Neuerungen in der Schweiz sehr bescheiden. Hier besteht definitiv Handlungsbedarf. Überdies ist es wichtig, dass wir die Kernprozesse der Interessengemeinschaft IG B2B for Insurers + Brokers schneller integrieren. Seitens der Versicherer wurden viele Anstrengungen unternommen, die Daten strukturiert zu liefern. Jetzt wird es nötig, dass die Broker diese strukturierten Daten nun auch in ihren Systemen voll nutzen können. Dadurch wird die Automatisierung der Prozesse beschleunigt.
Was hat die laufende Digitalisierung des Versicherungsbrokergeschäfts bei Aon für die Mitarbeitenden und die Kunden für Auswirkungen?
Paul Berchtold: Derzeit sind wir in einer Übergangsphase, die oft eine Doppelbelastung für Mitarbeitende darstellt und viel Flexibilität abverlangt. Wir sind froh, dass wir Mitarbeitende haben, die an die Vorteile der Digitalisierung glauben und auch bereit sind, die Extrameile zu gehen. In diesem Sinne gilt auch ein Dank an alle Mitarbeitende, die uns jeden Tag bei der Umstellung in die automatisierte und letztlich voll digitalisierte Welt unterstützen. Aufgrund der Rückmeldungen der Mitarbeitenden stellen wir fest: Durch die Optimierung der Abläufe wird Zeit geschaffen, die eine bessere Qualität der Kundenbetreuung ermöglicht.
Zum Schluss: Wie sehen Sie die Zukunft des Versicherungsbrokergeschäfts in der Schweiz?
Paul Berchtold: Aufgrund des stetig steigenden Margendrucks, der komplexeren regulatorischen Anforderungen sowie der rasch zunehmenden Digitalisierung werden die Versicherungsbroker in der Schweiz noch vermehrt unter Druck geraten. Es ist voraussehbar, dass das klassische Brokergeschäft für weniger komplexe Versicherungsgeschäfte vermehrt durch Online-Vergleichs- und Platzierungsmöglichkeiten verdrängt wird. Kommt dazu, dass die Kosten für die Automatisierung und die Erfüllung der strengeren Regulierungsvorgaben nach wie vor steigen und etliche Broker über ihre Nachfolge nachdenken. Demzufolge wird die Geschwindigkeit der Konsolidierung im Schweizer Brokermarkt zunehmen: Es wird immer mehr Partnerschaften, Zusammenschlüsse und auch Geschäftsschliessungen geben.
Heinimann: FIVE hat sich mit der Ankündigung der Lösung 4insurance als zukunftssicherer Partner seiner Kunden bewiesen. Die Software löst das seit mehr als 15 Jahren bewährte IBIS ab. Zum Umfang der Lösung gehören der kombinierte Betrieb via LAN und Internet sowie der kontrollierte Zugriff von Maklerkunden auf ihre Daten. Weitere zukunftsorientierte Funktionalitäten sind die volle Einbindung der Büroautomation zu einem CRM, die Anbindung der Telefonzentrale sowie die Integration des Datenaustauschs.
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Michael John, wie geht es der IG B2B for Insurers and Brokers?
Michael John: Sehr gut. Der Verein hat sich in den letzten Jahren positiv entwickelt und mit der BrokerInitiative 2018 haben wir einen wichtigen Meilenstein erreicht: die flächendeckende Digitalisierung der wichtigsten Prozesse im Brokermarkt.
Von was sind die Versicherungsbroker neben der Digitalisierung derzeit am meisten herausgefordert?
Michael John: Die Versicherungswelt verändert sich rasant. Dies ist eine grosse Herausforderung für alle Broker. Diese Veränderungen bieten aber enorme Chancen, die Kunden noch umfassender zu betreuen und sich besser in das Kerngeschäft der Kunden zu integrieren. Viele heute zeitintensive Aufgaben wie die Portefeuilleadministration oder die Offertausschreibungen werden mehr und mehr von Maschinen übernommen. Die Wertschöpfung muss also künftig hauptsächlich in anderen Bereichen erfolgen. Broker werden in Zukunft viel mehr zu Beratern in Fragen rund um das Thema Risiko. Die heute vorherrschende Art der Versicherungsberatung wird nur noch ein Aspekt der künftigen Brokertätigkeit sein.
Weshalb läuft die Digitalisierung so harzig?
Michael John: Die Digitalisierung ist abhängig von verschiedenen Rahmenbedingungen, welche nicht von einem Tag auf den anderen geschaffen werden können. Es braucht namentlich drei Voraussetzungen: Erstens: Die Versicherer müssen ihre Daten dem Markt digital zur Verfügung stellen können. Zweitens: Die Brokersoftwarehersteller müssen ihre Software fit machen für die automatisierte Prozessabwicklung. Drittens: Die Broker müssen ihre internen Prozesse und Dienstleistungen anpassen und sich mit den entsprechenden Technologien ausrüsten. Dies alles braucht seine Zeit. Nur schon die Projektplanungszyklen sowie die Projektumsetzungszyklen bei Versicherern und Brokersoftwareherstellern dauern teilweise Jahre. Wir sind froh, dass sich nun alle Marktteilnehmer im Zuge der BrokerInitiative 2018 vorwärtsbewegen. Wer sich rechtzeitig mit all den Themen rund um die Digitalisierung auseinandersetzt, hat genügend Zeit, sich für die Zukunft fit zu machen.
Was bringt denn die BrokerInitiative 2018 im Besonderen?
Michael John: Die IG B2B strebt an, mit der BrokerInitiative 2018 die Umsetzung der Digitalisierungsprojekte im Markt aufeinander abzustimmen, damit die Marktteilnehmer möglichst bald von den Vorteilen der automatisierten Zusammenarbeit profitieren können. Allerdings braucht das seine Zeit: Bis auch der letzte Versicherer digital mit den Brokern zusammenarbeiten kann, werden sicher noch ein paar Jahre vergehen. Wir sind allerdings dankbar, dass die grossen Versicherer im Unternehmensgeschäft die Digitalisierung der Kernprozesse nun umsetzen. Sie schaffen damit eine gute Grundlage für die Entwicklung von innovativen Lösungen.
Welches sind die Spezifikationen des mit der BrokerInitiative 2018 verbundenen DXP(Data Exchange Proxy)-Service: Was müssen die einzelnen Broker tun, damit das bei ihnen läuft?
Michael John: Es braucht zwei Dinge, um als Broker digital arbeiten zu können: Erstens: Eine Brokersoftware, die an den DXP(Data Exchange Proxy)-Service der IG B2B angeschlossen und somit in der Lage ist, die digitalen Kernprozesse zu verarbeiten. Zweitens: Bereit sein, die zehn Kernprozesse Kommunikation und Information, Vertragserstellung, Provisionierung, Mandatswesen, Schaden, Offerten, Rechnungen und Mahnungen, Schadenrendement, Vertragsverwaltung sowie Vertragsregulierung an die neuen digitalen Möglichkeiten anzupassen. Das ist in vielen Unternehmen ein längerfristiger Prozess. Aus diesem Grund lohnt es sich für jeden Broker, möglichst früh einzusteigen, um ein entsprechendes Technologieverständnis aufzubauen und entsprechende Opportunitäten für das eigene Geschäft durch die Digitalisierung rechtzeitig zu erkennen. Sicher ist: In den nächsten Jahren werden digitale Lösungen entstehen, die ein grosses Potenzial haben.
Eine ganz andere Frage im Zusammenhang mit der Digitalisierung: Wie beurteilen Sie die Zukunftschancen von digitalen Versicherungsmarktplätzen wie Simpego, wefox, anivo?
Michael John: Ich denke, einige der digitalen Versicherungsmarktplätze werden sich einen Platz in der Versicherungslandschaft erobern. Generell gehe ich davon aus, dass es in den nächsten Jahren durch die Spezialisierung zu einer viel grösseren Bandbreite von Geschäftsmodellen kommen wird. Im künftigen Versicherungsökosystem werden sich die Anbieter vielfach nur noch auf wenige Kernkompetenzen konzentrieren. Durch die digitale Verknüpfung dieser Lösungen werden die Angebote für den Kunden massgeschneidert und auf qualitativ sehr hohem Niveau in den Markt gestellt werden können. Gleichzeitig lässt sich durch diese Spezialisierung auch die eigene Wertschöpfung verbessern.
Was macht die IG B2B in diesem Bereich?
Michael John: Die IG B2B baut bereits an Plattformen, über die sich Broker, Versicherer und Dienstleister miteinander verknüpfen. Gemeinsam werden damit für sich selbst, aber vor allem auch für die Kunden Mehrwerte geschaffen.
Ist die Digitalisierung des Brokergeschäfts irreversibel?
Michael John: Ja, es ist nicht mehr die Frage, ob das Brokergeschäft digitalisiert werden wird oder nicht. Es geht nur noch darum, in welcher Zeit dies geschieht. Ich sehe für die aktuellen Marktteilnehmer enorme Chancen in dieser unaufhaltsamen Entwicklung. Es ist daher für alle ein Muss, sich mit diesen Themen zu beschäftigen, auch wenn dies zu Beginn schwierig erscheinen mag. Wer schlussendlich durch das «Tal der Tränen» gegangen ist, wird bereit sein, um in der neuen digitalisierten Welt eine reiche Ernte einfahren zu können.
Was gibt es den Versicherungsbrokern vom Präsidenten der IG B2B sonst noch Dringendes zu sagen?
Die zentrale Aufgabe der IG B2B besteht darin, in der neuen digitalisierten Welt eine Heimat zu schaffen für grosse, mittlere und kleine Broker und gleichzeitig die partnerschaftliche, digitale Zusammenarbeit mit den Versicherern sicherzustellen. Unterstützen Sie uns, indem Sie mit den neuen Technologien zu arbeiten beginnen und Ihre Absichten zur Digitalisierung im Rahmen der BrokerInitiative 2018 öffentlich machen. Wenn es noch nicht geschehen ist: Registrieren Sie sich für die BrokerInitiative. Herzlichen Dank.
Matthias Meier, 33-jährig (Bild), Bachelor der Fachhochschule St.Gallen und Master of Business Administration der Central Queensland University in Australien ist seit rund fünf Jahren in der Unternehmungsentwicklung der Insurance Brokers AG in Zürich tätig. Das ist in der Schweiz eine der führenden Beratungsfirmen für das Risiko-, Vorsorge- und Versicherungsmanagement von Unternehmen. Matthias Meier erläutert im Gespräch mit den winVS-E-News, welche Schlüsselrolle die informationstechnologische Infrastruktur im Versicherungsbrokergeschäft hat – und wie gross der Widerstand gegen die rasche Umsetzung des standardisierten elektronischen Datenaustauschs in der Branche immer noch ist. Lesen Sie seine Antworten auf zehn Fragen.
Matthias Meier, was macht die Funk Insurance Brokers AG? Matthias Meier: Die Funk Insurance Brokers AG ist in der Schweiz mit 80 Mitarbeitenden an den Standorten Basel, Bern, Luzern, St. Gallen und Zürich einer der führenden Versicherungsbroker für nationale und internationale Unternehmen. Diese werden im Risikomanagement, Vorsorgemanagement und Versicherungsmanagement umfassend und aus einer Hand beraten. Die Funk Insurance Brokers AG ist die Schweizer Organisation der 1879 gegründeten Funk Gruppe, Hamburg. Das in der fünften Generation geführte Familienunternehmen ist der grösste eigenständige Risikoberater und Versicherungsbroker im deutschsprachigen Raum. Mit dem eigenen internationalen Netzwerk "The Funk Alliance" ist Funk weltweit präsent und bietet den Unternehmen globale Lösungen an.
Welche Unternehmen sprechen Sie in der Schweiz besonders an? Matthias Meier: Wir sind stark vertreten bei Unternehmen der verarbeitenden Industrie, Bahnen, Wohn- und Pflegeheimen, Gemeinden sowie Dienstleistungsunternehmen aller Art. Dank des Wissenstransfers innerhalb der gesamten Funk Gruppe sind wir daran, in weiteren Wirtschaftszweigen vertieft Fuss zu fassen.
Welches sind derzeit die grössten Herausforderungen im Schweizer Versicherungsbrokermarkt? Matthias Meier: Der Schweizer Versicherungsbrokermarkt ist von einem intensiven Verdrängungswettbewerb gekennzeichnet, in welchem der Preis für die Brokerdienstleistungen die wichtigste Grösse ist. Während die Einnahmen durch den harten Preiskampf unter Druck sind, steigen gleichzeitig die Ausgaben aufgrund der steigenden Risikokomplexität und der steigenden Leistungsansprüche der Kunden. Der damit einhergehenden sinkenden Kundenrentabilität und dem Margendruck begegnen wir insbesondere mittels wirksamerer Prozesse. Dabei spielt die Informationstechnologie (IT) eine entscheidende Rolle.
Was sind in diesem Umfeld Ihre Stärken und was können Sie den Kunden Besonderes bieten? Matthias Meier: Statt sie zu verwalten, betreuen wir unsere Kunden aktiv mit Begeisterung, Kompetenz und Nähe. Dabei begleiten wir sie im Rahmen unserer Risikomanagementdienstleistungen auch bei Problemstellungen über das Versicherungswesen hinaus. Das erlaubt uns, die Kundenbedürfnisse gesamtheitlich zu verstehen und zielgerichtet zu befriedigen.
Welche Rolle spielt die informationstechnologische (IT) Infrastruktur? Matthias Meier: Eine gut funktionierende, verlässliche und sichere IT-Infrastruktur ist existenziell und spielt eine grosse Rolle in der täglichen Dienstleistungserbringung für die Kunden. Die Mitarbeitenden erwarten eine hohe Verfügbarkeit und einfache Werkzeuge, um ihre Kunden optimal, ortsunabhängig und schnell zu betreuen. Auf der anderen Seite erwarten die Kunden Flexibilität und praktikable Lösungen im Bereich der elektronischen Kommunikation und im digitalen Datenaustausch. Insbesondere die Datensicherheit ist wichtig und bedarf laufender Investitionen in die Hardware und die Software sowie in die Schulung der Mitarbeitenden. Ein umfassendes Monitoring bringt zusätzlich den Nutzen, proaktiv Probleme oder potenzielle Bedrohungslagen im Internet festzustellen und frühzeitig Massnahmen zu ergreifen.
Welche Versicherungsbroker-Softwarelösung nutzen Sie? Matthias Meier: Seit Herbst 2014 haben wir «winVS next» im Einsatz. Die Gründe für diesen Entscheid waren einerseits der Einsatz eines etablierten Customer-Relationship-Managements(CRM) für die konsequente Ausrichtung auf die Kunden sowie die systematische Gestaltung der Kundenbeziehungsprozesse. Zudem fehlten uns die Ressourcen, um Standardfunktionalitäten für das Brokergeschäft neu zu spezifizieren. Andererseits konzentrierten wir uns auf den Einsatz einer Standardsoftware vor allem im Hinblick auf die Risikominimierung der Wartbarkeit, der Abbildung von Dienstleistungsprozessen sowie der Anbindung an andere Systeme. Die Datenmigration aus der alten «winVS office»-Version hat dank intensiver Vorbereitung sehr gut funktioniert: Alle Daten und Dokumente standen nach der Migration auf «winVS next» zur Verfügung. Die komplett neue Benutzeroberfläche und die Vielzahl neuer Funktionalitäten beanspruchten eine gewisse Angewöhnungszeit. Die zahlreichen Möglichkeiten, Daten zu bearbeiten, zu exportieren oder sichtbar zu machen, verhalfen jedoch zur raschen Akzeptanz. Besonders hervorzuheben sind die Echtzeitdarstellungen von Kundeninformationen, die Individualisierbarkeit von Kundenansichten, die Abbildung von Dienstleistungsprozessen, die detaillierten Auswertungsmöglichkeiten und die nahtlose Integration von Microsoft Outlook. Wir können uns derzeit keine andere Branchensoftware vorstellen.
Wie beeinflusst die fortschreitende Digitalisierung das Versicherungsbrokergeschäft? Matthias Meier: Im Kleinkundengeschäft drängen laufend neue Onlinebroker wie Knip oder FinanceFox auf den Markt, die das klassische Brokergeschäft rein digital abwickeln wollen. Dies kann für kleinere Unternehmen mit digitalaffinen Entscheidungsträgern und dem Bedürfnis nach einem einfachen Versicherungsschutz interessant sein. Diese Entwicklung ist gut und belebt die Versicherungsbranche im digitalen Bereich. Dass individuelle und komplexe Versicherungslösungen sowie internationale Versicherungsdeckungen mit hohem Koordinationsaufwand rein digital abgewickelt werden können, erwarten wir in den nächsten fünf bis zehn Jahren nicht. Hier ist die individuelle und persönliche Beratung und Begleitung nach wie vor unablässig.
Wie steht es mit dem standardisierten digitalen Datenaustausch zwischen Brokern und Versicherern? Matthias Meier: Die «Interessengemeinschaft Business-to-Business IG B2B for Insurers + Brokers» strebt seit Jahren an, den elektronischen Datenaustausch zwischen Brokern und Versicherern zu standardisieren. Obwohl die technische Umsetzung bereits heute möglich ist, scheitert die rasche Umsetzung vermutlich an der Unwilligkeit oder am fehlenden Wettbewerbsdruck der Versicherer, sich im Plenum auf einen Standard zu einigen und die Digitalisierung im Datenaustausch ernsthaft voranzutreiben. Sollten die gesteckten Ziele der IG B2B in ferner Zukunft dennoch erreicht werden, wird sich dies enorm auf unser Geschäft auswirken. Aufwändige Verwaltungsarbeiten würden wegfallen und die Kundenbetreuung würde verstärkt ins Zentrum rücken. Als weiterer Punkt wird die richtige und umfassende Auswertung eigener und externer Kundeninformationen, die Business Intelligence, ein tragender Bestandteil sein. Nicht nur lässt sich das Kundenverhalten damit besser beurteilen, sondern es können auch neue Produkte abgeleitet oder die immer stärker geforderte Transparenz besser bewerkstelligt werden.
Was raten Sie andern Versicherungsbrokern hinsichtlich des Einsatzes der modernen Informationstechnologie? Matthias Meier: Je nach Unternehmensgrösse und Ressourcenknappheit ist das IT-Outsourcing ein möglicher Schritt, um sich voll auf die Kernkompetenz des Versicherungsbrokers zu konzentrieren: die Kundenbetreuung. Auf jeden Fall braucht es klare Regeln und Weisungen im Umgang mit neuen Devices wie dem Smartphone oder dem Tablet und auch mit der restlichen IT-Infrastruktur. Nur so lassen sich der Datenmissbrauch oder Sicherheitslöcher soweit wie möglich vermeiden. Im Falle der Einführung einer neuen Versicherungsbroker-Software sollten die wichtigsten Dienstleistungsprozesse des Unternehmens skizziert und im System abgebildet werden.
Ihr abschliessender Ratschlag an unsere Leserinnen und Leser? Matthias Meier: Alles braucht Zeit und Ressourcen. Deshalb gilt es, sich stets auf das Wesentliche zu konzentrieren. Kleine erfolgreich umgesetzte IT-Schritte führen meist zu mehr als grosse IT-Pläne, die dann allenfalls scheitern. Zumal jeder erfolgreich abgeschlossene IT-Schritt dazu ermutigt, einen weiteren Schritt in Angriff zu nehmen. Im Hinblick auf die Einführung einer neuen Versicherungsbroker-Software oder eines IT-Outsourcings müssen für die Planung genügend Zeitreserven eingebaut werden. Eine oder besser mehrere Personen müssen sich eingehend mit dem neuen System auseinandersetzen, damit im Supportfall rasch geholfen werden kann.