Ob Kundenzufriedenheit, Kostenersparnis oder neue Vertriebsimpulse: Viele Versicherungsbroker erhoffen sich durch die Einführung oder Optimierung von Kundenportalen Vorteile. Bei genauer Betrachtung zeigt sich, dass die meisten Vorhaben darin jedoch scheitern. Die internationale Business- und IT-Beratung Q_PERIOR mit Standorten in acht Ländern, darunter Bern und Zürich in der Schweiz, zeigt den Versicherungsbrokern fünf kritische Erfolgsfaktoren auf, die über Top oder Flop ihres Kundenportals entscheiden.
1. Konkrete Zielsetzung
Der Frage „Was wollen wir mit einem Kundenportal erreichen?“ bleiben viele Kundenportalprojekte von Versicherungsbrokern eine Antwort schuldig. Begründet wird die Umsetzung vielmehr mit einer Art Selbstzweck, etwa der Angst, den Anschluss in der Digitalisierung zu verlieren. Ohne Ziele, kein messbarer Erfolg: Eine qualitativ hochwertige Vorstudie, die die Ziele festlegt, ist daher unabdingbar.
2. Fachlicher und methodischer Rahmen
Fachseitig sollten relevante Zieldimensionen wie Kundenzufriedenheit oder Ertragssteigerungen sowie ein realistischer Business Case mit messbaren Erfolgskenngrössen festgelegt werden. Mit Hilfe der Erfolgskenngrössen lassen sich alle Entscheidungen bei der Entwicklung des Kundenportals kritisch bewerten, sodass der Kundennutzen und die Interessen des Unternehmens im Laufe des Projekts stets die notwendige Aufmerksamkeit haben. Bei der Festlegung eines methodischen Rahmens sind grundlegende Prinzipien des Anforderungs- und Prozessmanagements zu beachten. Dazu zählt etwa der Grundsatz, zuerst den Prozess und danach die informationstechnologische Unterstützung zu definieren. Auch ein festgelegter Softwareentwicklungsprozess sowie das Erkennen und das Implementieren der notwendigen Veränderungen sind wesentlich für den Erfolg jedes Kundenportalvorhabens.
3. Kundenmehrwert
Ist das fachliche und methodische Fundament gelegt, steht und fällt jedes Kundenportalprojekt mit der Nutzung der angebotenen Services durch den Kunden. Da im Self-Service-Portal manuelle Tätigkeiten vom Versicherungsbroker in Richtung Kunde verlagert werden, muss für den Kunden ein spürbarer Mehrwert bestehen. Von der zentralen Bündelung und Ablage aller relevanten Informationen, über exklusive Onlineangebote bis hin zu kurzfristigen On-Demand-Produkten wie etwa Tagesskiversicherungen: Es gibt zahlreiche Optionen, Anreize zu schaffen.
4. Interaktionsfrequenz
Um die Ziele im Bereich der Kostenreduktion zu erreichen, müssen angebotene Services in einer gewissen Frequenz von Kunden genutzt werden. Es empfiehlt sich daher, die Häufigkeit der Nutzung – gemessen oder geschätzt – in einem Ranking gegenüberzustellen. So lässt sich eine Entscheidung treffen, welche Kundeninteraktionen im Portal forciert und welche eher über eine qualifizierte Beratung durch die Aussendienstorganisation abgedeckt werden sollten.
5. Produkt- und Prozessintegration
Grundsätzlich sollten Versicherungsbroker Produkte mit geringen Kaufhürden im Kundenportal anbieten. Wichtig ist dabei, dass die Produkte in den Serviceprozess integriert sind, um umfangreiche Dateneingaben durch den Kunden zu vermeiden. Zudem sollten die angebotenen Produkte unbedingt inhaltlich sowie zeitlich relevant sein. Erfasst ein Kunde etwa den Kilometerstand seines Fahrzeugs online, wird er Angebote rund um das Auto als nachvollziehbar empfinden. Offerten für eine Tierhaftpflicht würden ihn hingegen eher abschrecken.
„Über alle Erfolgsfaktoren hinweg ist es entscheidend, bei der Umsetzung die Perspektive der Kunden einzunehmen“, erklärt Alexander Horn, Principal Consultant bei Q_PERIOR (Bild) abschliessend. „Nur so gelingt es Versicherungsbrokern mit ihren Portalen ein relevantes Angebot zu bieten und sich im digitalen Wettbewerb erfolgreich zu positionieren.“
Urs Thalmann (Bild), Master of Arts der Universität Zürich und Executive MBA der Universität St. Gallen, ist Partner und seit 2007 Geschäftsführer der Qualibroker AG, Zürich. Der Versicherungsbroker mit über 50 Mitarbeitenden wendet sich an kleinere und mittlere Unternehmen. Im Gespräch mit den «winVS-E-News» unterstreicht Urs Thalmann: «Wir wollen den Unternehmen seit unserer Gründung im Jahr 2000 die höchstmögliche Qualität bieten. Das bedingt, neben der erstklassigen persönlichen Beratung stets die zeitgemässe Informationstechnologie einzusetzen.» Lesen Sie die Antworten auf sechs Fragen an Urs Thalmann.
Urs Thalmann, was zeichnet die Qualibroker AG besonders aus?
Urs Thalmann: Wir haben unser Unternehmen bei der Gründung anfangs September 2000 ganz bewusst «Qualibroker» getauft. Die Umsetzung unseres Fachwissens liefert den Unternehmen nur in Verbindung mit höchster Qualität befriedigende Ergebnisse. Tagtäglich überprüfen wir unser Angebot und unsere Konzepte. Die Zertifizierung nach ISO 9001-2008 bestätigt diese Anstrengungen. All das wäre allerdings in Gefahr, wenn wir neben der erstklassigen persönlichen Beratung nicht stets auch die zeitgemässe Informationstechnologie einsetzten würden. Als Versicherungsbroker müssen wir die administrativen Aufgaben und die Arbeitsabläufe zwischen Broker, Kunde und Versicherungen mit der jeweils modernsten digitalen Technologie möglichst effizient standardisiert und automatisiert abwickeln.
Was sind Ihre jüngsten Anstrengungen, um dieses informationstechnologische Ziel zu erreichen?
Urs Thalmann: Wir haben uns entschieden, bei der Brokersoftware vom bisherigen System «winVS office» auf «winVS next» zu wechseln. Derzeit stehen wir in der Vorbereitungsphase des Wechsels. Die definitive Umstellung soll in rund einem halben Jahr vollzogen werden.
Was waren die hauptsächlichen Beweggründe für diesen Wechsel?
Urs Thalmann: Wir erfüllen mit diesem Wechsel den Grundsatz, im Dienste der Kunden die modernste Brokersoftware einzusetzen. Bedeutende Schritte nach vorne sind namentlich das eingebaute fortschrittliche Customer-Relationship-Management mit der digitalen Erfassung der spezifischen Kundenbedürfnisse sowie die durchgängige Automatisierung und Optimierung der Arbeitsabläufe. Dazu kommen die Anbindung an die anspruchsvollen Microsoft-Lösungen und generell die bestmögliche Unterstützung unserer Qualitätsbestrebungen.
Was unternehmen Sie bis zum Vollzug des Wechsels?
Urs Thalmann: Zuerst werden die bestehenden Datenbanken analysiert und die Daten bereinigt. Dann werden die von der neuen Software zu automatisierenden Arbeitsabläufe definiert und abgebildet. Wenn die gesamte Software unternehmensspezifisch einsatzbereit ist, erfolgen bis zur endgültigen Umstellung Testläufe und damit verbundene Optimierungen. All das geschieht in enger Zusammenarbeit mit dem Software-Lieferanten.
Wie sind die Mitarbeitenden in diese Vorbereitungsphase eingebunden?
Urs Thalmann: Intensive Nutzerinnen und Nutzer unserer Informationstechnologie werden in der Vorbereitungsphase speziell geschult und bei den Testläufen eingesetzt. Damit ist sichergestellt, dass die Bedürfnisse der Mitarbeitenden frühzeitig berücksichtig werden. Die ausgewählten «Poweruser» werden dann nach der definitiven Einführung der neuen Software ihre Kolleginnen und Kollegen unterstützen und ihre Fragen beantworten. Natürlich müssen vor der Umstellung alle Mitarbeitenden genügend vorbereitet werden.
Was sind die Knackpunkte bei Ihrem Umstellungsprozess?
Urs Thalmann: Wir verfügen bisher über drei Datenbanken aus zwei Brokersoftwareprodukten. Das alles muss sauber zusammengeführt werden. Ein weiterer Knackpunkt besteht aus der Abbildung und Harmonisierung der Arbeitsabläufe, die zu automatisieren sind. Sehr wichtig sind überdies die Schulung und der Einsatz der ausgewählten «Poweruser» sowie die Schulung und Vorbereitung der übrigen Mitarbeitenden. Dabei geht es namentlich darum, die Akzeptanz der neuen Software sowie das Tagesgeschäft während der ganzen Umstellung möglichst reibungslos sicherzustellen.
Matthias Meier, 33-jährig (Bild), Bachelor der Fachhochschule St.Gallen und Master of Business Administration der Central Queensland University in Australien ist seit rund fünf Jahren in der Unternehmungsentwicklung der Insurance Brokers AG in Zürich tätig. Das ist in der Schweiz eine der führenden Beratungsfirmen für das Risiko-, Vorsorge- und Versicherungsmanagement von Unternehmen. Matthias Meier erläutert im Gespräch mit den winVS-E-News, welche Schlüsselrolle die informationstechnologische Infrastruktur im Versicherungsbrokergeschäft hat – und wie gross der Widerstand gegen die rasche Umsetzung des standardisierten elektronischen Datenaustauschs in der Branche immer noch ist. Lesen Sie seine Antworten auf zehn Fragen.
Matthias Meier, was macht die Funk Insurance Brokers AG? Matthias Meier: Die Funk Insurance Brokers AG ist in der Schweiz mit 80 Mitarbeitenden an den Standorten Basel, Bern, Luzern, St. Gallen und Zürich einer der führenden Versicherungsbroker für nationale und internationale Unternehmen. Diese werden im Risikomanagement, Vorsorgemanagement und Versicherungsmanagement umfassend und aus einer Hand beraten. Die Funk Insurance Brokers AG ist die Schweizer Organisation der 1879 gegründeten Funk Gruppe, Hamburg. Das in der fünften Generation geführte Familienunternehmen ist der grösste eigenständige Risikoberater und Versicherungsbroker im deutschsprachigen Raum. Mit dem eigenen internationalen Netzwerk "The Funk Alliance" ist Funk weltweit präsent und bietet den Unternehmen globale Lösungen an.
Welche Unternehmen sprechen Sie in der Schweiz besonders an? Matthias Meier: Wir sind stark vertreten bei Unternehmen der verarbeitenden Industrie, Bahnen, Wohn- und Pflegeheimen, Gemeinden sowie Dienstleistungsunternehmen aller Art. Dank des Wissenstransfers innerhalb der gesamten Funk Gruppe sind wir daran, in weiteren Wirtschaftszweigen vertieft Fuss zu fassen.
Welches sind derzeit die grössten Herausforderungen im Schweizer Versicherungsbrokermarkt? Matthias Meier: Der Schweizer Versicherungsbrokermarkt ist von einem intensiven Verdrängungswettbewerb gekennzeichnet, in welchem der Preis für die Brokerdienstleistungen die wichtigste Grösse ist. Während die Einnahmen durch den harten Preiskampf unter Druck sind, steigen gleichzeitig die Ausgaben aufgrund der steigenden Risikokomplexität und der steigenden Leistungsansprüche der Kunden. Der damit einhergehenden sinkenden Kundenrentabilität und dem Margendruck begegnen wir insbesondere mittels wirksamerer Prozesse. Dabei spielt die Informationstechnologie (IT) eine entscheidende Rolle.
Was sind in diesem Umfeld Ihre Stärken und was können Sie den Kunden Besonderes bieten? Matthias Meier: Statt sie zu verwalten, betreuen wir unsere Kunden aktiv mit Begeisterung, Kompetenz und Nähe. Dabei begleiten wir sie im Rahmen unserer Risikomanagementdienstleistungen auch bei Problemstellungen über das Versicherungswesen hinaus. Das erlaubt uns, die Kundenbedürfnisse gesamtheitlich zu verstehen und zielgerichtet zu befriedigen.
Welche Rolle spielt die informationstechnologische (IT) Infrastruktur? Matthias Meier: Eine gut funktionierende, verlässliche und sichere IT-Infrastruktur ist existenziell und spielt eine grosse Rolle in der täglichen Dienstleistungserbringung für die Kunden. Die Mitarbeitenden erwarten eine hohe Verfügbarkeit und einfache Werkzeuge, um ihre Kunden optimal, ortsunabhängig und schnell zu betreuen. Auf der anderen Seite erwarten die Kunden Flexibilität und praktikable Lösungen im Bereich der elektronischen Kommunikation und im digitalen Datenaustausch. Insbesondere die Datensicherheit ist wichtig und bedarf laufender Investitionen in die Hardware und die Software sowie in die Schulung der Mitarbeitenden. Ein umfassendes Monitoring bringt zusätzlich den Nutzen, proaktiv Probleme oder potenzielle Bedrohungslagen im Internet festzustellen und frühzeitig Massnahmen zu ergreifen.
Welche Versicherungsbroker-Softwarelösung nutzen Sie? Matthias Meier: Seit Herbst 2014 haben wir «winVS next» im Einsatz. Die Gründe für diesen Entscheid waren einerseits der Einsatz eines etablierten Customer-Relationship-Managements(CRM) für die konsequente Ausrichtung auf die Kunden sowie die systematische Gestaltung der Kundenbeziehungsprozesse. Zudem fehlten uns die Ressourcen, um Standardfunktionalitäten für das Brokergeschäft neu zu spezifizieren. Andererseits konzentrierten wir uns auf den Einsatz einer Standardsoftware vor allem im Hinblick auf die Risikominimierung der Wartbarkeit, der Abbildung von Dienstleistungsprozessen sowie der Anbindung an andere Systeme. Die Datenmigration aus der alten «winVS office»-Version hat dank intensiver Vorbereitung sehr gut funktioniert: Alle Daten und Dokumente standen nach der Migration auf «winVS next» zur Verfügung. Die komplett neue Benutzeroberfläche und die Vielzahl neuer Funktionalitäten beanspruchten eine gewisse Angewöhnungszeit. Die zahlreichen Möglichkeiten, Daten zu bearbeiten, zu exportieren oder sichtbar zu machen, verhalfen jedoch zur raschen Akzeptanz. Besonders hervorzuheben sind die Echtzeitdarstellungen von Kundeninformationen, die Individualisierbarkeit von Kundenansichten, die Abbildung von Dienstleistungsprozessen, die detaillierten Auswertungsmöglichkeiten und die nahtlose Integration von Microsoft Outlook. Wir können uns derzeit keine andere Branchensoftware vorstellen.
Wie beeinflusst die fortschreitende Digitalisierung das Versicherungsbrokergeschäft? Matthias Meier: Im Kleinkundengeschäft drängen laufend neue Onlinebroker wie Knip oder FinanceFox auf den Markt, die das klassische Brokergeschäft rein digital abwickeln wollen. Dies kann für kleinere Unternehmen mit digitalaffinen Entscheidungsträgern und dem Bedürfnis nach einem einfachen Versicherungsschutz interessant sein. Diese Entwicklung ist gut und belebt die Versicherungsbranche im digitalen Bereich. Dass individuelle und komplexe Versicherungslösungen sowie internationale Versicherungsdeckungen mit hohem Koordinationsaufwand rein digital abgewickelt werden können, erwarten wir in den nächsten fünf bis zehn Jahren nicht. Hier ist die individuelle und persönliche Beratung und Begleitung nach wie vor unablässig.
Wie steht es mit dem standardisierten digitalen Datenaustausch zwischen Brokern und Versicherern? Matthias Meier: Die «Interessengemeinschaft Business-to-Business IG B2B for Insurers + Brokers» strebt seit Jahren an, den elektronischen Datenaustausch zwischen Brokern und Versicherern zu standardisieren. Obwohl die technische Umsetzung bereits heute möglich ist, scheitert die rasche Umsetzung vermutlich an der Unwilligkeit oder am fehlenden Wettbewerbsdruck der Versicherer, sich im Plenum auf einen Standard zu einigen und die Digitalisierung im Datenaustausch ernsthaft voranzutreiben. Sollten die gesteckten Ziele der IG B2B in ferner Zukunft dennoch erreicht werden, wird sich dies enorm auf unser Geschäft auswirken. Aufwändige Verwaltungsarbeiten würden wegfallen und die Kundenbetreuung würde verstärkt ins Zentrum rücken. Als weiterer Punkt wird die richtige und umfassende Auswertung eigener und externer Kundeninformationen, die Business Intelligence, ein tragender Bestandteil sein. Nicht nur lässt sich das Kundenverhalten damit besser beurteilen, sondern es können auch neue Produkte abgeleitet oder die immer stärker geforderte Transparenz besser bewerkstelligt werden.
Was raten Sie andern Versicherungsbrokern hinsichtlich des Einsatzes der modernen Informationstechnologie? Matthias Meier: Je nach Unternehmensgrösse und Ressourcenknappheit ist das IT-Outsourcing ein möglicher Schritt, um sich voll auf die Kernkompetenz des Versicherungsbrokers zu konzentrieren: die Kundenbetreuung. Auf jeden Fall braucht es klare Regeln und Weisungen im Umgang mit neuen Devices wie dem Smartphone oder dem Tablet und auch mit der restlichen IT-Infrastruktur. Nur so lassen sich der Datenmissbrauch oder Sicherheitslöcher soweit wie möglich vermeiden. Im Falle der Einführung einer neuen Versicherungsbroker-Software sollten die wichtigsten Dienstleistungsprozesse des Unternehmens skizziert und im System abgebildet werden.
Ihr abschliessender Ratschlag an unsere Leserinnen und Leser? Matthias Meier: Alles braucht Zeit und Ressourcen. Deshalb gilt es, sich stets auf das Wesentliche zu konzentrieren. Kleine erfolgreich umgesetzte IT-Schritte führen meist zu mehr als grosse IT-Pläne, die dann allenfalls scheitern. Zumal jeder erfolgreich abgeschlossene IT-Schritt dazu ermutigt, einen weiteren Schritt in Angriff zu nehmen. Im Hinblick auf die Einführung einer neuen Versicherungsbroker-Software oder eines IT-Outsourcings müssen für die Planung genügend Zeitreserven eingebaut werden. Eine oder besser mehrere Personen müssen sich eingehend mit dem neuen System auseinandersetzen, damit im Supportfall rasch geholfen werden kann.
Unter dem Titel «Versicherer 2021: Diese Technologien und Digitaltrends werden den Markt beeinflussen» schreibt das «Versicherungsmagazin»: «Dort, wo sich smarte Technologien adaptieren liessen, fehlte es in der Vergangenheit wahlweise zu oft an der Wirtschaftlichkeit, der zündenden Geschäftsidee oder der Kundenakzeptanz. Der Blick auf die Versicherungsbranche ist daher von gedämpfter Euphorie auf 2021 geprägt, wenn es um den nennenswerten Durchbruch von Technologien geht. Dennoch sind hier und dort Entwicklungssprünge zu erwarten. Einige Technologien werden Versicherer stärker und mit mehr Methode einsetzen. Andere Technologien werden die Branche und ihr Geschäft zumindest beeinflussen und die eine oder andere Neuheit bewirken.» Welche Technologien sind das?
Mehr «Dunkelverarbeitung» bei Anträgen, Schäden und Underwriting
In der Versicherungswirtschaft wird die Automatisierung von Geschäftsprozessen «Dunkelverarbeitung» genannt. Dank des vermehrten Einsatzes von Robotic Process Automation (RPA), Künstlicher Intelligenz (KI) und Cloud Computing wird die «Dunkelverarbeitung» von Anträgen, Schäden oder auch des Underwriting 2021 erhebliche Fortschritte machen. Auch getrieben von der Coronakrise werden die Versicherer Ende 2021 auf jeden Fall digitalisierter dastehen als jetzt. Es können immer mehr Daten in Echtzeit ausgewertet werden. Das erhöht, Facebook lässt grüssen, die zielgruppengerechte Marketingkraft. Aber: Echte technologiegetriebene Marktneuheiten in Form revolutionärer Policen oder Geschäftsmodelle werden wohl auch 2021 eine Seltenheit sein.
Verstärkter Einsatz von natürlichsprachlicher Textgenerierung
Versicherer müssen etlichen Behörden viele Berichte abliefern, beispielsweise über die Solvabilität, die Finanzlage oder Geldwäschereiverdachte. Die Daten für diese Berichte liegen unstrukturiert in den informationstechnologischen Systemen. Mittels des Einsatzes von natürlichsprachlicher Textgenerierung (Natural Language Generation), einer besonderen Form der Künstlichen Intelligenz, werden diese Pflichtberichte mehr und mehr automatisiert erstellt.
Versicherer werden noch vermehrt Chatbots nutzen
Getrieben von der Coronakrise werden 2021 noch mehr Versicherer für die schriftliche Kommunikation mit den Kunden und zur Entlastung der Callcenter Chatbots einsetzen. Das sind automatisierte intelligente textbasierte Dialogsysteme, mit denen die Kunden in natürlicher Sprache mit dem System kommunizieren können.
Internet der Dinge erzeugt neue Risiken, die versichert werden müssen
Dank dem Internet der Dinge (Internet of Things) entstehen beispielsweise in der Industrie innovative Geschäftsmodelle wie die Vermietung von Maschinenkapazitäten und dem entsprechenden «Pay-per-Use». Das erzeugt neue Risiken und zwingt die Versicherer, nutzungsabhängige Policen zu kreieren.
Elektromobilität erfordert Überarbeitung der entsprechenden Autoversicherungstarife
Die Zahl der Elektroautos steigt. Die Autoversicherungstarife müssen für die Elektroautos überarbeitet werden. Denn es ist bei Elektroautos komplizierter abzuklären, wie Bauteile zusammenwirken und welcher Hersteller oder Lieferant für einen Defekt oder eine Fehlsteuerung haften muss. Zudem führen schadhafte Batterien häufig zum Totalschaden.
Die QR(Quick Response)-Rechnung löst ab Januar 2019 die heute eingesetzten orangen und roten Einzahlungsscheine ab. Die neue Lösung ermöglicht es, im Rechnungsverkehr die Herausforderungen durch Digitalisierung und Regulierung effizient zu bewältigen. Banken, Softwarehäuser und weitere Interessierte entwickeln auf verschiedene Anwenderbedürfnisse zugeschnittene Lösungen zur einfachen Einbindung der QR-Rechnung in die Rechnungs- und Zahlungsabläufe. Lesen Sie, wie die einschneidende Umstellung bewältig werden soll.
Unternehmen müssen bis Mitte 2018 die Umstellung im Griff haben Der Schweizer Zahlungsverkehr wird auf der Grundlage des weltweit anerkannten Standards ISO 20022 harmonisiert. Der gesamte Zahlungsprozess wird digitalisiert und somit für alle Marktteilnehmer deutlich effizienter und wirtschaftlicher. Die Schweizer Finanzinstitute schliessen ihre Umstellung bis Ende 2017 ab, Firmenkunden bis spätestens Mitte 2018. Nach Abschluss der Umstellung können Rechnungssteller ab Januar 2019 erste QR-Rechnungen verschicken, die die regulatorischen Anforderungen im Zusammenhang mit der revidierten Geldwäschereiverordnung vollumfänglich erfüllen.
QR-Code mit Schweizerkreuz Die neue QR-Rechnung enthält den QR-Code mit einem Schweizer Kreuz als Erkennungsmerkmal. Der QR-Code enthält alle für die Zahlung notwendigen Informationen in digitaler Form und bildet zusammen mit den aufgedruckten Informationen den Zahlteil der QR-Rechnung im Format A6. Dieser Zahlteil mit QR-Code ersetzt die heutigen Einzahlungsscheine.
Die Neuerungen für Rechnungssteller Die wesentlichen Neuerungen für Rechnungssteller sind:
Die Neuerungen für Rechnungsempfänger Die wesentlichen Neuerungen für Rechnungsempfänger sind:
Mit oder ohne Betrag Wie bei den heutigen Einzahlungsscheinen kann die QR-Rechnung mit oder ohne Betrag ausgestellt, von Hand im E-Banking eingegeben, per Papier an das Finanzinstitut gesendet oder am Postschalter für die Einzahlung verwendet werden. Die Einführung im Zeitablauf Die QR-Rechnung kann erst eingeführt werden, wenn die Rechnungssteller ihre Systeme bis Mitte 2018 schweizweit auf den Standard ISO 20022 umgestellt haben. Vor diesem Hintergrund sind die Hersteller von Buchhaltungssoftware oder Enterprise-Resource-Planning(ERP)-Systemen aufgefordert, ihren Kunden möglichst bis Ende 2017 entsprechende Lösungen anzubieten. Während einer möglichst kurzen Übergangszeit können neben den QR-Rechnungen auch die heutigen Einzahlungsscheine verwendet werden. Damit haben Rechnungssteller die Möglichkeit, die Umstellung zu einem für sie passenden Zeitpunkt vorzunehmen. Da die Rechnungssteller ab Januar 2019 erste QR-Rechnungen verschicken können, müssen alle Marktteilnehmer ab diesem Zeitpunkt technisch in der Lage sein, QR-Rechnungen zur Zahlung und Verarbeitung zu nutzen.
Weitere Informationen findet man auf https://www.paymentstandards.ch/de/home/splash.html.
Søren Fog, was ist die Blockchaintechnologie?
Søren Fog: Auf den Punkt gebracht: Die Blockchaintechnologie erlaubt es zwei Internetnutzern, die sich nicht kennen müssen, untereinander direkt Transaktionen abzuwickeln, und zwar ohne jegliches Zwischenglied, das die Integrität und das Vertrauen in die Transaktionen gewährleisten muss. Quintessenz: Die Blockchain ist die Automatisierung von Vertrauen. Heute braucht es bei vielen alltäglichen Handlungen wie beispielsweise Hauskäufen- und -verkäufen, Kreditgeschäften, oder Versicherungsanträgen Mittelsleute, die das für die Transaktionen notwendige Vertrauen schaffen. Paradebeispiele dafür sind Notare, Banker oder Versicherungsbroker. Wenn Transaktionen auf einer Blockchain beruhen, braucht es keine Mittelsleute mehr: Das Vertrauen wird in virtueller Form automatisch und kostenlos geschaffen.
Was könnte uns die Blockchaintechnologie bringen?
Søren Fog: Die Kryptowährungen wie der Bitcoin als deren bekanntester Vertreter deuten an, wie die Blockchaintechnologie dank der Automatisierung des Vertrauens und der Digitalisierung aller Prozesses die Übertragung von Werten revolutionieren könnte: Ohne Bank, Notar oder andere Vermittler können Währungseinheiten oder Wertanteile bis in die kleinsten Fraktionen kostenlos in Echtzeit von einer Person zur andern gelangen. Wenn mir dann jeweils entgegnet wird, die Kryptowährungen seien heute nach wie vor eine Randerscheinung, erzähle ich gerne aus dem Leben von Marco Polo. Im 13. Jahrhundert ist dieser nach einer 30-jährigen Weltreise nach Venedig zurückgekommen. Er wirbelte mit Papiergeld durch die Stadt und sagte, in China bestehe das Geld aus Papier und nicht aus Silber oder Gold. Man lachte. Tatsächlich dauerte es dann noch einige Jahrhunderte, bis sich das Papiergeld überall durchsetzte – und sich bis heute behauptet. Der Grund dafür: Papier ist viel handlicher und leichter austauschbar als Silber oder Gold. Diese Geschichte zeigt, wie lange es dauern kann, bis sich im Transaktionsbereich eine kluge Idee gegen festverankerte Gewohnheiten durchzusetzen vermag. Ich bin jedoch fest der Meinung, dass die auf der Blockchaintechnologie beruhenden digitalen Transaktionstechniken dank des automatisierten Vertrauens eines Tages das Papiergeld und die heutigen Transaktionsarten von Wertanteilen verdrängen werden.
Wie sehen Sie die Auswirkungen der Blockchaintechnologie im Versicherungsbereich?
Søren Fog: Soweit ich es überblicken kann, sind heute praktisch alle Risiken bekannt, die von Versicherern aufgrund der klassischen versicherungsmathematischen Methoden versichert werden können. Mehranteile am Versicherungskuchen mussten deshalb bislang über Preissenkungen dank Prozessoptimierungen oder aggressivem Marketing erobert werden. Die Blockchaintechnologie erlaubt es nun den innovativen Versicherern, über eine zuverlässigere und bessere Sammlung von vertrauensvollen Daten, die Suche nach versicherbaren Risiken zu verfeinern und auszuweiten. Das erlaubt, neue Versicherungsprodukte auf den Markt zu bringen oder bestehende Versicherungsprodukte viel individueller zu gestalten.
Wird entsprechend der Crowdfinanzierung auch die Crowdversicherung kommen?
Søren Fog: Tatsächlich haben die von der Blockchaintechnologie ermöglichte Dezentralisierung und die damit verbundene Innovation der Crowdversicherung ein grosses Potenzial, das bisherige Versicherungsgeschäftsmodell infrage zu stellen. Wir sind zwar noch nicht so weit, aber das wird bestimmt eines Tages kommen: Private werden sich über vertrauensvolle virtuelle Pools gegenseitig versichern, und zwar ohne kostenverursachende Versicherer und Versicherungsvermittler.
Was sind eigentlich derzeit noch die grössten Probleme der Blockchaintechnologie?
Søren Fog: Die Blockchaintechnologie, die ja noch in den Kinderschuhen steckt, ist mannigfaltig herausgefordert. Da sind beispielsweise die wegen der hohen Vertrauensanforderung ungenügende Skalierbarkeit, die zu kleine Zahl von Transaktionen in einer Sekunde. Auch das unglaublich viel Strom fressende Bitcoin-Mining ist ein Phänomen, das die Verbreitung der Technologie im Währungsbereich hemmt. Das heisst: Es braucht eine bessere Technologie. Ich bin allerdings überzeugt, dass die Blockchaintechnologie laufend erfolgreich weiterentwickelt wird und sich dann mehr und mehr durchsetzt. In der verbesserten Form wird sie dann manche bislang erfolgreiche Geschäftsmodelle herausfordern.
Ihr abschliessender Gedanke zur Zukunft der Blockchaintechnologie?
Søren Fog: Die jüngste Wirtschaftsgeschichte hat zu einer unglaublichen Vermögenskonzentration in wenigen Händen geführt. Das birgt enorme politische Risiken in sich, wie jüngste Entwicklungen zeigen. Die Blockchaintechnologie wird dank der kostenlosen Automatisierung des Vertrauens die Möglichkeit schaffen, dass alle Menschen mit den tiefst möglichen Eintrittshürden und ohne teure Vermittler und Berater an mannigfaltigen Märkten teilnehmen können. Die Blockchaintechnologie hat deshalb das Potenzial, zur Schaffung einer besseren und faireren Welt beizutragen – und damit die derzeit ungleiche Reichtumsverteilung etwas auszugleichen.