Wo die Reise in etwa hingeht, ist bekannt. Einige sind bereits auf dem Weg, andere verharren an der Startlinie. Doch die digitale Transformation betrifft nicht nur Versicherungsgesellschaften, sondern auch die Broker. Artikel aus der Schweizer Versicherung Ausgabe 07/2015.
Mit der Computertechnologie im letzten Jahrhundert hat eine neue Weltgeschichte begonnen. Immer wieder kamen neue Kapitel hinzu und boten Stoff für weitere. Vom ersten Computer 1935, der gerade mal eine Multiplikation pro Sekunde durchführen konnte, über die Grossrechner, die Personal Computer und die ersten tragbaren Telefone bis hin zum Internet und den kleinen Alleskönnern namens Smartphones.
Das Kapitel Digitalisierung hätte zwar schon vor längerer Zeit Einzug in das Buch halten können, doch die Konsequenzen daraus werden erst jetzt richtig sicht- und spürbar. Es vollzieht sich ein regelrechter Wandel quer durch alle Wirtschaftszweige. Und es trifft alle. Die Musik- und Fotobranche bekam dies bereits intensiv zu spüren, Zwischenhändlern weht aktuell ein harter Wind entgegen und auch Versicherungsgesellschaften rücken in den Fokus. Wie immer die Geschichte zu Ende geht und wie viele FinTechs auch immer in den Markt drängen. Mit der Digitalisierung steht die gesamte Wirtschaft an der Schwelle einer der grössten Veränderungen in der Geschichte. Weiterlesen
Søren Fog, was ist die Blockchaintechnologie?
Søren Fog: Auf den Punkt gebracht: Die Blockchaintechnologie erlaubt es zwei Internetnutzern, die sich nicht kennen müssen, untereinander direkt Transaktionen abzuwickeln, und zwar ohne jegliches Zwischenglied, das die Integrität und das Vertrauen in die Transaktionen gewährleisten muss. Quintessenz: Die Blockchain ist die Automatisierung von Vertrauen. Heute braucht es bei vielen alltäglichen Handlungen wie beispielsweise Hauskäufen- und -verkäufen, Kreditgeschäften, oder Versicherungsanträgen Mittelsleute, die das für die Transaktionen notwendige Vertrauen schaffen. Paradebeispiele dafür sind Notare, Banker oder Versicherungsbroker. Wenn Transaktionen auf einer Blockchain beruhen, braucht es keine Mittelsleute mehr: Das Vertrauen wird in virtueller Form automatisch und kostenlos geschaffen.
Was könnte uns die Blockchaintechnologie bringen?
Søren Fog: Die Kryptowährungen wie der Bitcoin als deren bekanntester Vertreter deuten an, wie die Blockchaintechnologie dank der Automatisierung des Vertrauens und der Digitalisierung aller Prozesses die Übertragung von Werten revolutionieren könnte: Ohne Bank, Notar oder andere Vermittler können Währungseinheiten oder Wertanteile bis in die kleinsten Fraktionen kostenlos in Echtzeit von einer Person zur andern gelangen. Wenn mir dann jeweils entgegnet wird, die Kryptowährungen seien heute nach wie vor eine Randerscheinung, erzähle ich gerne aus dem Leben von Marco Polo. Im 13. Jahrhundert ist dieser nach einer 30-jährigen Weltreise nach Venedig zurückgekommen. Er wirbelte mit Papiergeld durch die Stadt und sagte, in China bestehe das Geld aus Papier und nicht aus Silber oder Gold. Man lachte. Tatsächlich dauerte es dann noch einige Jahrhunderte, bis sich das Papiergeld überall durchsetzte – und sich bis heute behauptet. Der Grund dafür: Papier ist viel handlicher und leichter austauschbar als Silber oder Gold. Diese Geschichte zeigt, wie lange es dauern kann, bis sich im Transaktionsbereich eine kluge Idee gegen festverankerte Gewohnheiten durchzusetzen vermag. Ich bin jedoch fest der Meinung, dass die auf der Blockchaintechnologie beruhenden digitalen Transaktionstechniken dank des automatisierten Vertrauens eines Tages das Papiergeld und die heutigen Transaktionsarten von Wertanteilen verdrängen werden.
Wie sehen Sie die Auswirkungen der Blockchaintechnologie im Versicherungsbereich?
Søren Fog: Soweit ich es überblicken kann, sind heute praktisch alle Risiken bekannt, die von Versicherern aufgrund der klassischen versicherungsmathematischen Methoden versichert werden können. Mehranteile am Versicherungskuchen mussten deshalb bislang über Preissenkungen dank Prozessoptimierungen oder aggressivem Marketing erobert werden. Die Blockchaintechnologie erlaubt es nun den innovativen Versicherern, über eine zuverlässigere und bessere Sammlung von vertrauensvollen Daten, die Suche nach versicherbaren Risiken zu verfeinern und auszuweiten. Das erlaubt, neue Versicherungsprodukte auf den Markt zu bringen oder bestehende Versicherungsprodukte viel individueller zu gestalten.
Wird entsprechend der Crowdfinanzierung auch die Crowdversicherung kommen?
Søren Fog: Tatsächlich haben die von der Blockchaintechnologie ermöglichte Dezentralisierung und die damit verbundene Innovation der Crowdversicherung ein grosses Potenzial, das bisherige Versicherungsgeschäftsmodell infrage zu stellen. Wir sind zwar noch nicht so weit, aber das wird bestimmt eines Tages kommen: Private werden sich über vertrauensvolle virtuelle Pools gegenseitig versichern, und zwar ohne kostenverursachende Versicherer und Versicherungsvermittler.
Was sind eigentlich derzeit noch die grössten Probleme der Blockchaintechnologie?
Søren Fog: Die Blockchaintechnologie, die ja noch in den Kinderschuhen steckt, ist mannigfaltig herausgefordert. Da sind beispielsweise die wegen der hohen Vertrauensanforderung ungenügende Skalierbarkeit, die zu kleine Zahl von Transaktionen in einer Sekunde. Auch das unglaublich viel Strom fressende Bitcoin-Mining ist ein Phänomen, das die Verbreitung der Technologie im Währungsbereich hemmt. Das heisst: Es braucht eine bessere Technologie. Ich bin allerdings überzeugt, dass die Blockchaintechnologie laufend erfolgreich weiterentwickelt wird und sich dann mehr und mehr durchsetzt. In der verbesserten Form wird sie dann manche bislang erfolgreiche Geschäftsmodelle herausfordern.
Ihr abschliessender Gedanke zur Zukunft der Blockchaintechnologie?
Søren Fog: Die jüngste Wirtschaftsgeschichte hat zu einer unglaublichen Vermögenskonzentration in wenigen Händen geführt. Das birgt enorme politische Risiken in sich, wie jüngste Entwicklungen zeigen. Die Blockchaintechnologie wird dank der kostenlosen Automatisierung des Vertrauens die Möglichkeit schaffen, dass alle Menschen mit den tiefst möglichen Eintrittshürden und ohne teure Vermittler und Berater an mannigfaltigen Märkten teilnehmen können. Die Blockchaintechnologie hat deshalb das Potenzial, zur Schaffung einer besseren und faireren Welt beizutragen – und damit die derzeit ungleiche Reichtumsverteilung etwas auszugleichen.
Die Cybersicherheitsspezialisten warnen: Kriminelle nutzen die aktuelle Unsicherheit rund um die Coronakrise für umfangreiche Cyberangriffe aller Art. Neben Privatpersonen sind namentlich Klein- und Mittelbetriebe betroffen. Das unterstreicht die Notwendigkeit, eine massgeschneiderte Cyberversicherung abzuschliessen. Zumal rechtlich der Grundsatz gilt: In der Regel bieten Softwarelieferanten und Cloudanbieter keinen Cyberversicherungsschutz für Schäden, die bei einem Cyberangriff bei den Kundinnen und Kunden entstehen, wenn sie als Softwarelieferant und als Cloudanbieter alles im Vertrag Festgelegte erfüllt und keine offensichtliche Fahrlässigkeit begangen haben.
Warnung des Sicherheitssoftwareanbieters ESET
ESET, Bratislava, ein globaler Anbieter von Sicherheitssoftware, warnt in einer Medienmitteilung vom 17. März 2020: «Das Coronavirus hat das öffentliche Leben nahezu lahmgelegt. Die Sorge bei der Bevölkerung ist gross. Diese Verunsicherung nutzen derzeit Cyberkriminelle aus und versuchen, als Trittbrettfahrer mit verschiedenen Kampagnen von der weltweiten Pandemie zu profitieren. Die ESET-Forscher beobachten aktuell einen massiven Anstieg krimineller Aktivitäten im Corona-News-Umfeld. Sehr verbreitet sind beispielsweise Spammails mit vermeintlichen Informationen zum Coronavirus von renommierten Institutionen wie der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die eine schädliche PDF-Datei als Anhang beinhaltet.»
Alle notwendigen Cyberschutzmassnahmen ergreifen
Zum Schutz vor Cyberangriffen sollte jedes Unternehmen zuerst mal alle notwendigen Cyberschutzmassnahmen ergreifen. Eine umfassende Anleitung, wie das geht, findet sich im «Merkblatt Informationssicherheit für KMUs» der Melde- und Analysestelle Informationssicherung MELANI des Bundes. Hier die wichtigsten Punkte:
Den potenziellen Cyberschaden versichern
Auch wenn alle Vorkehrungen für den Cyberschutz getroffen worden sind, kann es gleichwohl noch zu einem erfolgreichen Cyberangriff kommen: Oft geschieht das durch eine menschliche Unachtsamkeit. Kommt dazu: Softwarelieferanten und Cloudanbieter kommen für Schäden, die bei ihren Kundinnen und Kunden bei einem Cyberangriff entstehen, nicht auf, wenn sie alles im Vertrag Festgelegte erfüllt und keine offensichtliche Fahrlässigkeit begangen haben. Deshalb sollten alle Unternehmen für sich selbst eine Cyberversicherung abschliessen. Denn die Schäden eines Cyberangriffs können bei den Betroffenen verheerend sein.
Beat Marbach, früherer Chef der Informationstechnologie von Swiss Life und heute mit NABOOH «IT Brainware Consulting & Business Coaching» im Beratungsgeschäft tätig, treibt die Entwicklung der Community-Plattform EcoHub der Interessengemeinschaft IG B2B for Insurers + Brokers als Programmleiter voran. Im Gespräch mit den «winVS-E-News» gibt er einen Einblick in die Funktion von EcoHub und dem darauf angebotenen «Content Router». Zudem äussert er sich zur Zukunft des Versicherungsbrokergeschäfts. Lesen Sie die Antworten von Beat Marbach auf unsere Fragen.
Was bedeuten «Business Coaching» und «IT Brainware Consulting»?
Beat Marbach: Beim «Business Coaching» geht es um die Unterstützung von Unternehmen im Hinblick auf die Anpassung und Weiterentwicklung von bewährten Geschäftsmodellen an die heute sich überall dynamisch verändernden Märkte. Dabei spielen die Informationstechnologien und die Künstliche Intelligenz (AI) naturgemäss eine tragende Rolle. Dazu braucht es dann das Wissen und die Erfahrung unseres «IT Brainware Consulting», einem Netzwerk interdisziplinärer Mitwirkenden.
Wie kommt das bei Ihrer Zusammenarbeit mit der Interessengemeinschaft IG B2B for Insurers + Brokers zum Tragen?
Beat Marbach: Die Interessengemeinschaft IG B2B for Insurers + Brokers hat sich entschlossen ihre bewährte Plattform weiterzuentwickeln. Mit der Umsetzung des EcoHub wird eine zeitgemässe, neue digitale Branchen- und Community-Plattform etabliert. Dazu werden nicht nur die bestehenden Möglichkeiten dieser Transaktionspattform auf eine neuausgelegte, skalierbare Ebene angehoben, sondern auch die Möglichkeit geschaffen – neue, geschäftsrelevante Services verschiedener Anbieter dem Markt zur Nutzung anzubieten. Ein EcoSystem, aus welchem jeder Teilnehmer die Elemente auswählen kann, welche ihm den grössten Nutzen bringen. Damit wird das bereits heute beachtliche Transaktionsvolumen weiter gesteigert. Was jedoch viel wichtiger ist, es werden neue Modelle aus der Digitalisierung signifikant begünstigt. So kommt die IG einer ihrer Grundaufgaben weiter nach, den Markt und deren Teilnehmer heute wie morgen nachhaltig zu unterstützen.
In welchen Phasen erfolgt die Umsetzung?
Beat Marbach: Die Planung geht von zwei wesentlichen Phasen aus. Phase I beinhaltet den Unterbau des EcoHub, den EcoHub Essentials. Darin enthalten ist das bereits bekannte digitale Service-Angebot der IG B2B. Der Unterbau wurde komplett neu aufgebaut und hat einige technische Neuerungen, stellt aber eine Rückwärtskompatibilität sicher. Darauf aufbauend wird der Marktplatz folgen, was im Wesentlichen die Phase II umschreibt. Hier werden unterschiedliche Anbieter ihre Services publizieren und für den freien Markt verfügbar machen können. Jeder dieser Services wird mittels einer Zertifizierung auf seine Qualität hin geprüft, damit nicht-funktionale Elemente wie bspw. die Datensicherheit und die Compliance sowie die dafür notwendigen Audit Trails sichergestellt sind.
Was spielt dabei die winVS software AG für eine Rolle?
Beat Marbach: winVS ist ein bedeutender Anbieter von professionellen Softwarelösungen für die Brokerbranche. Es liegt also auf der Hand, dass winVS einer der Partner ist, der bei EcoHub mit eine wichtige Rolle spielt. Vom künftigen Angebot auf dem EcoHub, werden alle Beteiligten profitieren, was insgesamt zum gemeinsamen Erfolg beiträgt. Am siebten BrokerConvent der Interessengemeinschaft IG B2B for Insurers + Brokers vom 19. November 2019 in der BERNEXPO sowie am alljährlichen Innovation Day der IG, konnte winVS eine erste Vorschau auf ihr künftiges EcoHub-Angebot live vorstellen.
Beschreiben Sie den geplanten «Content Router» auf EcoHub?
Beat Marbach: Der «Content Router» ist ein Beispiel für einen auf dem EcoHub angebotenen neuen Service. Dieser macht es möglich, automatisch semantische Inhalte aus Dateien wie PDF, Bilder oder E-Mails zu durchforsten und zu klassifizieren. Dafür werden von Künstlicher Intelligenz (AI) gestützte und selbstlernende Algorithmen eingesetzt. Ermöglicht wird damit beispielsweise die Erkennung von spezifischen Inhalten aus der Fülle von Angeboten, Prämienrechnungen, Mahnungen oder des Bildmaterials rund um Schäden. Zudem lassen sich damit aus der E-Mail-Flut die wichtigen Inhalte herausfiltern, um die Beantwortung der Fragen von Kunden und Geschäftspartnern zu beschleunigen und die Dunkelverarbeitung kann so signifikant gesteigert werden.
Wie sehen Sie die Zukunft des Versicherungsbrokergeschäfts in der Schweiz?
Beat Marbach: Es ist ein offenes Geheimnis, dass sich die direkten Entschädigungen im Versicherungsbrokergeschäft weiter vermindern. Damit sinkt der Beitrag einer der tragenden Einnahmequellen. Das Beratungsgeschäft insgesamt wird wichtiger und diversifizierter. Zudem werden neue Themen über die Zeit dazukommen. Der Kunde stellt längst keine trivialen Fragen mehr, ist insgesamt aufgeklärter und vielfach auch neugieriger geworden. Mit den Möglichkeiten aus der Digitalisierung und dem weiteren Ausbau der Automatisierung, entsteht ein neues Potential welches jedem Markteilnehmer offen steht. Gezielter und dennoch kostengünstiger kann auf die immer anspruchsvolleren individuellen Bedürfnisse der Versicherungskundinnen und Versicherungskunden eingegangen werden. Dabei wird der EcoHub in der Schweiz eine wichtige unterstützende Rolle spielen. Doch eines darf man trotz aller Digitalisierung nie vergessen: Letztlich ist und bleibt es der persönliche Kontakt, dass gelebte Vertrauen zwischen Menschen, das uns befähigt, gemeinsam ein Geschäft abzuschliessen.