Der Markt der Versicherungsbroker ist im Umbruch

Viele Private sowie Firmen nehmen die Dienste von Versicherungsbrokern in Anspruch. Die Branche wird in der Schweiz von drei grossen Vermittlern dominiert. Die Kleinen geraten zunehmend unter Druck.

Roman Schenkel
Drucken
Expertise und Beratung stehen im Zentrum: Versicherungsbroker müssen sich wegen der Digitalisierung neu erfinden. (Bild: Symbolbild: Veerasak Piyawatanakul/Getty)

Expertise und Beratung stehen im Zentrum: Versicherungsbroker müssen sich wegen der Digitalisierung neu erfinden. (Bild: Symbolbild: Veerasak Piyawatanakul/Getty)

Im Schweizer Brokermarkt ist viel Bewegung. Übernahmen und Zusammenschlüsse sind bei den Vermittlern von Versicherungen an der Tagesordnung. Die Versicherungsberatung Consulas schätzt, dass derzeit gut 1400 Brokerfirmen aktiv sind (siehe Kasten unten). Der hiesige Markt ist jedoch stark fragmentiert. Neben den drei grossen Vermittlern Aon, Kessler – als Partner im Marsh-Netzwerk – sowie Willis gibt es eine grössere Zahl an mittelgrossen Vermittlern. Daneben existiert eine Menge von verhältnismässig kleinen Brokern, die nur eine bis fünf Personen beschäftigen.

Gerade diese Kleinen sind derzeit arg unter Druck: «Aufgrund der steigenden rechtlichen Anforderungen, Nachfolgeregelungen, sinkenden Margen und der Digitalisierung hat in den letzten Jahren eine starke Konsolidierung eingesetzt», sagt Reto Stauffer, Geschäftsführer von Consulas. Er geht davon aus, dass diese Tendenz anhalten wird.

Besonders die Digitalisierung stellt dabei die Broker vor Herausforderungen. In der Schweizer Versicherungslandschaft bilden Broker zwar ein wichtiges Bindeglied zwischen professionellen Anbietern und Kunden, die ohne zusätzliche Beratung bald einmal überfordert sind. Gleichzeitig gehören Versicherungsbroker zu jenen Branchen, die sich im Zeitalter der Digitalisierung als Mittler neu erfinden müssen. Denn Versicherer haben dank neuer Angebote die grosse Chance, direkt mit Kunden Kontakte zu schliessen. Bereits heute lassen sich einige Standardversicherungen mit einem Mausklick abschliessen.

Verkaufsanfragen im Zweiwochentakt

Die Digitalisierung dürfte sich bei den kommenden Umwälzungen denn auch als stärkster Faktor entpuppen. Mit ihr sei die gesamte Versicherungsbranche im Umbruch, sagt Patrick Mäder, Finanzexperte bei PwC. «Die Rolle der Rückversicherer, Versicherer und auch Intermediäre, also Broker und Makler, wird neu definiert. Die gesamte Wertschöpfungskette ist nicht mehr klar an die drei Marktteilnehmer zugeteilt», erklärt er. Die Digitalisierung biete die Möglichkeit, Wertschöpfung in verschiedensten, teilweise auch neuen Bereichen zu erbringen. Zudem dringen neue, junge Anbieter auf den Markt. Digitale Versicherungsbroker wie knip.ch oder esurance.ch machen den Traditionellen das Geschäft streitig.

Pascal Walthert. (Bild: PD)

Pascal Walthert. (Bild: PD)

Pascal Walthert, Inhaber und CEO von Neutrass Residenz mit Sitz in Rotkreuz, geht davon aus, dass sich der ­Brokermarkt in den nächsten Jahren aufgrund der Digitalisierung weiter bereinigen wird. Er erhalte im Zwei­wochentakt Anfragen von kleineren Brokern, die ihr Portefeuille zum Verkauf anbieten, erzählt Walthert. Nach einem relativ starken Wachstum in den letzten fünf Jahren will er nun jedoch verstärkt auf organisches Wachstum ­setzen. «Unsere aktuelle Grösse reicht aus, um zu bestehen», sagt er. Mit gut 50 Mitarbeitenden zählt Neutrass Residenz zu den mittelgrossen Brokern der Schweiz. Geografisch konzentriert sich die Brokerfirma auf die erweiterte Zentralschweiz.

Walthert sieht die Digitalisierung viel mehr als Chance denn als Gefahr. Er ist überzeugt, dass die Dienstleistungen von Brokern weiterhin gefragt sein werden. «Onlineabschlüsse von Versicherungen werden künftig vornehmlich bei Standardprodukten, bei Produkten ab Stange, zum Einsatz kommen. Bei komplexen und vielschichtigen Projekten wird die persönliche und individualisierte Beratung von Brokern weiterhin gefragt sein», sagt er.

Gerade im Standardgeschäft bei Privatkunden und KMU dürften künftig Fintech-Anbieter eine gewichtige Rolle spielen, glaubt Reto Stauffer von Consulas. «Sie werden kleinere Versicherungsbroker und den klassischen Aussendienst der Versicherer bedrängen», sagt er.

Kunden wollen eigenen Onlinezugang

Digitale Lösungen würden immer mehr Bestandteile des klassischen Brokings ablösen und die Wertschöpfungskette eines Maklers aufbrechen, sagt Stauffer. Die Anforderungen an die Beratungskompetenz stiegen an. Brokerfirmen müssten sich deshalb anpassen und sich weiterentwickeln, sagt auch Pascal Walthert. Um mit der Digitalisierung Schritt zu halten, seien neben einer richtigen Denkweise Investitionen in neue digitale, aber auch Experten-Fähigkeiten notwendig. «Wir investieren derzeit viel Geld in unser IT-Know-how. Die Kunden wollen einen Onlinezugang zu ihren Policen und eine digitalisierte Administration», erklärt Walthert.

Orientierung im «Versicherungs-Dschungel»

Broker versprechen Hilfe und Orientierung im «Versicherungs-Dschungel». Eine Beratung kostet den Versicherten in der Regel nichts. Ein Broker finanziert sich über Kommissionen, sogenannte Courtagen. Er erhält jährlich einen Anteil an den Prämien der betreuten Versicherung. Im Privatkundenbereich sind allerdings nicht viele Broker aktiv. Die Einnahmen sind in diesem Geschäft aufgrund der tieferen Umsätze schlicht zu tief. Diesen Bereich dominieren die Aussendienstmitarbeitenden der Versicherungen oder die Generalagenten. Broker haben jedoch im Geschäft mit Unternehmen die Nase vorn. Das Gros der Firmen hat einen Broker für Versicherungen engagiert. Broker sind in der Regel unabhängig und holen sich für ihre Kunden bei verschiedenen Versicherungen Offerten ein. Dabei geht es auch, aber nicht nur, um den Preis einer Police. Broker analysieren die Versicherungssituation eines Kunden und stellen fest, welche Versicherungen es braucht und welche der bestehenden überflüssig sind. Zuletzt haben insbesondere Krankenkassenvermittler die Branche in Verruf gebracht. Einige «Berater» verkauften nur die Policen einer einzigen Versicherung. Andere verschoben Kunden von einem Anbieter zum andern. Der Gesetzgeber hat in diesem Bereich inzwischen korrigierend eingegriffen. Aktuell gibt es in der Schweiz rund 1400 Brokerfirmen. Mit 81 Firmen ist nur ein kleiner Teil Mitglied des Branchenverbands Swiss Insurance Brokers Association (Siba). Die Kontrolle der Versicherungsvermittler obliegt der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma), die dafür ein Register führt. Für einen Eintrag sind die berufliche Qualifikation, Haftpflichtschutz für allfällige Fehlberatungen oder auch persönliche Voraussetzungen (keine strafrechtlichen Einträge usw.) erforderlich. 2010 waren bei der Finma 13 000 Personen als Vermittler registriert, aktuell sind es rund 16 000. Davon sind etwas mehr als die Hälfte unabhängige Broker, der Rest sind Aussendienstmitarbeitende von Versicherungen sowie bei Versicherungen angestellte Broker. (rom)